Barrierefreiheit betrifft alle – privat und im Unternehmen

Marius BleuerMai 2023

Über die gesamte Lebensdauer betrachtet, sind wir alle mit Behinderungen konfrontiert – sei es temporär durch einen Armbruch, durch eine Bagatelle wie eine beschlagene Skibrille oder altersbedingt durch eine nachlassende Seh- oder Muskelkraft.

Die Grafik zeigt Icons für permanente, vorübergehende oder situative Einschränkungen durch Behinderungen.

Berühren: Einarmig, Arm verletzt oder Kind im Arm.
Sehen: Blind, Grauer Star, abgelenkt beim Fahren
Hören: Hörbehindert, Ohrinfekt, laute Umgebung
Sprechen: Non-verbal, heiser, starker Akzent
Behinderungen können dauerhaft, temporär oder situativ auftreten – und unterschiedliche Sinne betreffen. (c) Microsoft Design Toolkit, Übersetzung durch Autor

“When we design for inclusion, we are designing for our future selves and our ever-changing abilities. It’s designing how the next generation will treat and care for us.”

Kat Homles, Chief Design Officer & EVP bei Salesforce, auf Linkedin

Wie barrierefrei sind Ihre digitalen Plattformen?

Unser Handeln oder Unterlassen entscheidet darüber, wem wir eine Teilhabe an der Gesellschaft, unserer Organisation oder der Nutzung unserer Produkte und Dienstleistungen ermöglichen – oder verunmöglichen.

Als Unternehmen müssen wir verstehen, dass Barrierefreiheit kein Meilenstein oder ein Projekt ist, welches spezifiziert, abgeschlossen und ad acta gelegt werden kann. Das Thema muss eine ständige Begleiterin und Teil unserer Kultur zu werden, weil wir es als Chance sehen, bessere Produkte zu erstellen. Dieser Kulturwandel geschieht nicht von heute auf morgen und erfordert vertikal und horizontal verschiedenste Rollen innerhalb der Organisation:

Organigramm mit allen Rollen, welche die Barrierefreiheit der digitalen Projekte beeinflussen: 
Leitende Angestellte; Finanzleitung, Rechtsdienst, Marketing, Strategie; Projektmanagement, Produktmanagement, Beschaffung; Business Analyse, Informations-Architektur, Visuelles Design, Kundeseitige Entwicklung, Content-Erstellung, Forschung und Testing, Verkauf, Kundendienst.
Diagramm nach Jonathan Hassel, Inclusive Design for Organisations

In grösseren Organisationen lohnt es sich, das Wissen in einem dedizierten Design System Team zu bündeln und in Form von barrierefreien Design- und Entwicklungsmustern sowie als Design- und Code-Bausteine internen und externen Teams zugänglich zu machen.

Ein Design System allein ist jedoch noch kein Garant, dass nur noch barrierefreie Produkte erstellt werden. Sorgfältig gepflegt, bietet es eine solide Grundlage in Form von Einzelbausteinen, welche in der Verarbeitung sinnvoll zu einem grossen Ganzen zusammengesetzt werden müssen. Entsprechend ist es wichtig, das Wissen rund um die Barrierefreiheit breit im Unternehmen abzustützen. Bleibt es nur innerhalb eines exklusiven Kreises oder sogar nur an Einzelpersonen hängen, besteht die Gefahr, dass organisatorische Veränderungen oder Abgänge zu einem merklichen Wissensverlust führen. Diesen möchten wir natürlich vermeiden.

User-zentriert denken und handeln

Barrierefreiheit muss immer gesamtheitlich gedacht werden. Die besten Resultate entstehen, wenn verschiedenste Disziplinen zusammenarbeiten und insbesondere auch Betroffene in den Konzeptions- und Entwicklungsprozess involviert werden, getreu des User-Centered Design Ansatzes: «Design with the user» statt «Design for the user».

Im Idealfall sollten wir nur noch barrierefrei zugängliche Produkte erstellen. Dies fördert das projektübergreifende Verständnis für das Thema und verhindert unterschiedliche Handhabungen innerhalb der Projekte. Von Seiten «Business» muss der Wille und das Verständnis für Barrierefreiheit mitgetragen werden. Ganz wichtig ist die Validierung von Drittanbieterlösungen (wie z.B. «Cookie Consent»-Lösungen) im Einkauf, welche oftmals entgegen den Marketing-Versprechungen gar nicht oder nur bedingt zugänglich sind. Bereits im Evaluationsprozess sollten angebotene Lösungen eingehend durch Personen mit dem nötigen Fachwissen beurteilt werden. Nachträglich geäusserte Anpassungswünsche können insbesondere bei grossen, internationalen Anbietern häufig oft nur schwer und nicht unmittelbar berücksichtigt werden. Gerade hier wirkt sich eine frühzeitige bereichsübergreifende Zusammenarbeit positiv aus und verhindert Verzögerungen oder Budgetüberschreitungen.

Barrierefreiheit lohnt sich auch kommerziell

Wenn wir Barrierefreiheit lediglich als Compliance Thema betrachten, welches es mit möglichst geringem Aufwand abzuarbeiten gilt, um regulatorischen Konsequenzen zu vermeiden, verkennen wir deren kommerzielles Potenzial: Wenn wir unsere Dienstleistungen barrierefrei gestalten, entstehen im Endeffekt praktisch immer bessere Produkte für alle. Bei der Etablierung einer barrierefreien Arbeitswelt und der Umsetzung barrierefreier Produkte geht es also nicht primär darum, potenzielle Verluste zu verhindern, sondern neues Potenzial zu schaffen und zu nutzen.

So fühlt sich beispielsweise gerade der ältere Teil der Bevölkerung in der digitalen Welt je länger je mehr zu Hause und verfügt über umfassende digitale Kompetenzen – insbesondere auch auf mobilen Geräten und hinsichtlich der Nutzung von «Wearables». Je nachdem, welche Produkte wir anbieten, ist dies im E-Commerce Bereich eine nicht zu verachtende kaufkräftige Zielgruppe. So profitieren gerade auch ältere Personen von Massnahmen, die eine allgemein bessere Zugänglichkeit schaffen – beispielsweise skalierbare Schriftgrössen oder Interaktionselemente, die sich an die individuellen Bedürfnisse und Einstellungen der Nutzer:innen anpassen.

Wer digitale Lösungen produziert, trägt eine grosse gesellschaftliche Verantwortung. Lasst uns diese gemeinsam wahrnehmen. Denn mit jeder neuen Umsetzung haben wir haben es in der Hand Chancengleichheit und Teilhabe zu fördern und neue Potenziale zu kreieren.

Wir von Unic helfen Ihnen gerne dabei.

Dieser Text erschien in gekürzter Form in der Netzwoche vom 11. Mai 2023.

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