Psychologische Sicherheit und New Work – oder wie geteilte Führung funktioniert
Fachleute und Interessierte tauschten sich an einem Afterwork-Event in Bern über psychologische Sicherheit und geteilte Führung aus. Was brauchen Mitarbeitende, aber auch frühere Führungskräfte, wenn die Verantwortung neu geteilt wird? Hier eine Zusammenfassung des Anlasses – und Tipps, worauf Sie bei Shared Governance achten sollten.
Klarheit schafft psychologische Sicherheit – psychologische Sicherheit schafft Klarheit
Serge Bärtschi, Organizational Developer bei Post Schweiz, leitet den Abend mit der Frage ein: Was hindert die Menschen an der Übernahme von Verantwortung?
Drei Hauptfelder werden benannt: Sie kennen oder verstehen den Purpose nicht, sie haben nicht die nötige Autonomie und allenfalls fehlen ihnen gewisse Fähigkeiten. Daraus folgt: Die Menschen müssen das Ziel verstehen und es erreichen WOLLEN. Sie müssen verstehen, was sie alles tun DÜRFEN – und das nötige Rüstzeug mitbringen oder entwickeln, damit Sie das auch tun KÖNNEN.
Damit das gelingt, braucht es ein Ansprechen der Erwartungen, eine klare Definition der Governance, grösste Transparenz, eine radikale Stärkenorientierung, die Fähigkeit zur Selbstreflexion und Vertrauen: Vertrauen in den Prozess, in die Menschen und in seine eigenen Fähigkeiten.
Die Forschung gibt ihm recht:
Im Google Aristotle Project wurden in einer zweijährigen Studie 180 Teams auf ihre Teameffektivität untersucht. Ausschlaggebend für den Erfolg war weniger die Teamzusammensetzung, sondern die Art und Weise der Zusammenarbeit. 5 Säulen, welche die leistungsstarken Teams tragen, wurden identifiziert:
Psychologische Sicherheit
Zuverlässigkeit
Struktur & Übersicht
Sinn
Wirkung
Eine besondere Bedeutung kommt diesen tragenden Säulen zu, wenn sich Aufgabenbereiche oder Herausforderungen von Menschen von Grund auf ändern und die innere Unsicherheit sehr gross ist.
Andrea Hofmann, Transformationsmanagerin bei WKS KV Bildung, nahm den Faden auf und spann ihn weiter:
Verstehen durch Erleben
Die Reform der KV-Ausbildung hat das Selbstverständnis der Lehrpersonen massiv erschüttert. Statt Wissensvermittlung und Auftragserteilung soll der Unterricht nun aus Lernbegleitung. Coaching und Co-Creation bestehen; die Vorbereitung leisten nicht sie als Fachexpert:innen, in unabhängigen Zeitrahmen, sondern sie erfolgt ebenfalls in Co-Creation, durch Synchronisierung mit der Gruppe. Zur Vorbereitung hat die Schule Kreise geschaffen, in dem die neuen Unterrichtseinheiten genau so erarbeitet wurden: Durch Co-Kreation, in agilem Setting und mit entsprechenden Rollen. "Erfahrungswelt in Action" nannte sich das Projekt und bot die Gelegenheit, gemeinsam zu debattieren, voneinander zu lernen, sich in neue Situationen zu begeben und eine neue Lern- und Fehlerkultur zu entwickeln.
Ihr Fazit:
Lernen durch Erfahren ist wirksam und nachhaltig.
Rollen-Setting hilft beim Reflektieren und Einnehmen von Coaching-Haltung.
Lern- und Fehlerkultur kann und sollte aktiv thematisiert und gelebt werden.
Natürlich sei nicht alles reibungslos verlaufen … aber gemäss Astrid Blunschi Balmer von der CEO Unit Transformation der Baloise, ist das genau richtig. Oder, wie sie sagt:
Jede Spannung ist ein Geschenk
Die verteilte Führung fördert Eigenverantwortung und die Entscheidungsfindung. Entsprechend fordert sie die Menschen auf: «Mention your Tension!» Diese werden ernst genommen, als etwas Positives gesehen und im dafür vorgesehenen Meeting unter klaren Strukturen thematisiert.
Dass die Menschen sich auch trauen, ihre Spannungen anzusprechen, dafür sorgen nicht nur klare Strukturen, sondern auch Prinzipien, auf die man sich geeinigt hat.
Hier einige Beispiele:
Vertrauen ist unser zentraler Wert in der Zusammenarbeit.
Keiner von uns ist befugt, anderen Weisungen zu erteilen, ausser in seiner Rolle als Arbeitgeber:in.
Wir arbeiten transparent, tauschen Informationen angemessen und proaktiv aus.
Im Zweifelsfall entscheiden wir uns, Kolleg:innen zu vertrauen.
Wir nutzen ungünstige Entscheidungen, auch Fehler genannt, konstruktiv als Lernchance.
Der Austausch bei der anschliessenden Podiumsrunde und beim Apéro war intensiv und konstruktiv. Wir sind gespannt, wie die Teilnehmenden die Gedanken ins eigene Unternehmen tragen und sich für psychische Gesundheit einsetzen. Die folgenden Tipps dürften dabei helfen:
Tipps fürs eigene Unternehmen
Damit Mitarbeiter:innen tatsächlich
ihre Spannungen einbringen,
ihre Rollen eigenständig ausüben und darin Verantwortung für Entscheidungen übernehmen,
sich in Meetings engagieren und
verteilte Führung die Kraft entwickeln kann,
braucht es die Sicherheit, dass
Kritik und Bedürfnisse (Spannungen) offen geäussert werden dürfen und zur Verbesserung genutzt werden;
Vertrauenspersonen/Vertrauensgruppen vorhanden sind;
im Falle eines Fehlers keine negativen Konsequenzen entstehen;
Konflikte und Reibungen zur Weiterentwicklung von Personen und System gewollt sind;
Und das Modell seine Kraft entwickeln darf und nicht übersteuert wird.
Wir sind da für Sie!
Interessieren Sie sich für die Einführung von New Work Arbeitsmodellen oder wünschen Unterstützung bei der Umsetzung der Einführung? Wir sind für Sie da.