Machine Learning wird Marketingalltag

Bruno Pedro MettlerJanuar 2020

Effektivere Marketingmassnahmen dank KI

Die Erwartungen der Konsument:innen an Verfügbarkeit, Benutzerfreundlichkeit, Personalisierung, Interaktion und Inhalt sind riesig. Gleichzeitig verursacht die Digitalisierung eine Explosion der Daten, die an den verschiedensten digitalen Touchpoints entlang der Customer Journey gesammelt werden können. Diese beiden Entwicklungen fördern den Einsatz von Marketingtechnologien, die den Marketer unterstützen, die Daten zu analysieren und die richtigen Schlüsse für effektive Marketingmassnahmen zu ziehen. Zunehmend sind in diesen Applikationen Machine-Learning-Modelle integriert. Sie helfen den Marketer, die entlang der Customer Journey generierten Daten besser, schneller und exakter zu interpretieren.

Neben «AI First»-Anwendungen, die Machine und Deep Learning als zentrale Services liefern, integrieren die grossen MarTech-Suiten zunehmend KI-Komponenten wie beispielsweise Cortex bei Sitecore, Einstein bei Salesforce oder Sensei bei Adobe. Andere Plattformen wie Shopify oder Hubspot haben Marktplätze aufgebaut, auf denen Marketer KI-Services beziehen können. KI durchdringt damit den Marketingalltag immer stärker.

KI entlang der Customer Journey

Künstliche Intelligenz kann an den verschiedenen Touchpoints entlang der Customer Journey genutzt werden. Es braucht bei der Implementierung sowohl die individuelle Betrachtung des einzelnen Touchpoint als auch die Gesamtbetrachtung der Journey. Bei Amazon wird das Benutzungserlebnis an jedem Touchpoint mit Machine Learning optimiert: Mittels Programmatic Sampling stellt Amazon dem Besucher in den frühen Phasen der Customer Journey neue Produkte, die für ihn interessant sein könnten, vor.

Machine Learning unterstützt die Auswahl der Produkte, die angezeigt werden. Als Marktplatz bietet Amazon seinen Händlern genau diese Produktplatzierung an, zum Beispiel mit der Möglichkeit eines Gratismusters. Zusammen mit den Re-Targeting Ads wird so eine im Durchschnitt um 15 Prozent höhere Sales Conversion erreicht.

Wenn Sie in einigen Jahren einen Manager fragen, ob er KI verwendet, wird dies wie die Frage lauten, ob er den Computer verwendet.

Jim Sterne
Emeritierter Direktor der Digital Analytics Association
Quelle: Medium “A Map of Amazon and Modern Marketing”
Quelle: Medium “A Map of Amazon and Modern Marketing”

KI automatisiert, verbessert und verstärkt

Die Kernziele von Machine Learning im Rahmen der Kundengewinnung und -bindung sind Automation, Optimierung und Verstärkung.

KI kann eingesetzt werden, um die bestehenden Prozesse so effizient wie möglich zu machen. Viele Unternehmen investieren zu diesem Zweck in KI. Gemäss Gartner werden im Jahr 2020 25 Prozent der Interaktionen eines Kunden mit einem Unternehmen ohne menschliches Zutun ablaufen. Commerce und Assistenten sind typische Anwendungsbeispiele dafür. Die Optimierung der direkten Interaktion zwischen Mensch und Maschine ist deutlich komplexer. Daten und Modelle müssen laufend verbessert werden. Die Verarbeitung von gesprochener Sprache (Natural Language Processing) ist ein gutes Beispiel hierfür.

Die Verstärkung birgt das grösste Potenzial von künstlicher Intelligenz: Hier arbeiten Mensch und Maschine Hand in Hand. Der Marketer übernimmt die Arbeiten, bei denen Empathie und kreative Lösungen gefragt sind. Die Maschinen arbeiten ihm zu und helfen ihm, bessere Entscheidungen zu treffen. Ein Beispiel sind die KI-Funktionen von Salesforce Einstein, die kundenspezifisch Lösungen wie Gratisversand oder Ratenzahlung ohne Zinsen vorschlagen. Letztendlich entscheidet aber der Agent, welches Angebot für die Kund:innen am besten passt.

Die Hauptinteressen der Marketers für Machine Learning können in drei Typen klassifiziert werden: die Vorhersage des Nutzungsverhaltens, die Antizipation von Nutzungsbedürfnissen und die Hyperpersonalisierung von Botschaften. Das übergeordnete Ziel von Machine Learning im Marketing ist eine persönliche, individuelle, nahtlose Interaktion mit den Konsument:innen.

Die Nutzer:innen als Motor der Personalisierung

Der Prozess der Personalisierung ist eine Endlosschleife mit drei Schritten: Eine Aktion des Systems löst eine Interaktion der Nutzer:innen aus, die wiederum Daten generiert, um die nächste Aktion auszulösen. Im Vorfeld braucht es die Vorbereitung der Daten, der Aktionen und der möglichen Feedbacks. Solange die Nutzer:innen sich in dieser Endlosschleife befinden, werden Daten und damit Marketingintelligenz generiert.

Die Herausforderung ist nicht die Menge, sondern die Qualität der Daten. Daten werden seit Jahren erfasst, aber erst dank Machine Learning können sie zielführend genutzt werden. Allerdings unterschätzen viele Marketers den Aufwand für die Datenaufbereitung und die Verbesserung der Datenqualität. Dies führt zum Abbruch von vielen KI-Projekten. In vielen Fällen werden zudem Daten erhoben, die gar nicht relevant sind: «Garbage in, garbage out.» Das Verstehen der Daten wird immer wichtiger, um das Machine-Learning-Modell verbessern und relevante Resultate erzielen zu können. Ob die Nutzer:innen bereit sind, für die bessere Personalisierung ihre Daten preiszugeben, ist eine der grossen Fragen, die sich das Marketing stellt.

Liegen die Daten vor, stellt sich die Frage, welche Aktion den Nutzer:innen basierend auf den Daten empfohlen wird.

Hier reicht es nicht, nur die Daten zu verstehen, sondern es braucht eine gesamtheitliche Sichtweise: Was «verkaufen» wir? Welche Aktion passt am besten als Nächstes? Die Interaktion der Nutzer:innen ist der Motor des gesamten Prozesses. Sie erwarten intelligente, passende Aktionen, auf die sie reagieren sollen. Je besser die Aktionen, desto wertvoller die Interaktionen. Die Steuerung dieses Prozesses und das Verständnis dafür zu haben sind anspruchsvoll.

Mit Machine Learning steigt die Komplexität des Prozesses nochmals. Das Ziel, eine höhere Kundenbindung zu erreichen, ist ambitiös und braucht viel Zeit und Ressourcen.

Quelle: The Rise of Machine Learning in Marketing
Quelle: The Rise of Machine Learning in Marketing

KI fordert ein Umdenken

Künstliche Intelligenz ist nicht einfach eine weitere Marketingtechnologie, sondern stellt die Art und Weise, wie wir Marketing machen, auf den Kopf. Dank Machine Learning wird ein nahtloses, personalisiertes Nutzungserlebnis möglich. Innovativ denkende Marketers nutzen das Potenzial bereits und lernen, besser zu werden.

Generell bringt Machine Learning eine höhere Automatisierung und eine Optimierung und damit eine effiziente und effektivere Marktbearbeitung.

Die Verbreitung von Machine Learning verspricht, dass das Marketing gleichzeitig effizienter und menschlicher wird. Künstliche Intelligenz kann jeden einzelnen Funktionsbereich des Marketings und jeden Schritt der Customer Journey unterstützen, indem Daten mit Aktionen in einer Endlosschlaufe verknüpft werden. Die zentrale Frage ist, wo der Mensch in der Kundenbetreuung zentral ist und wo die Maschine einen besseren Service liefern kann. Die richtige Balance zu finden, ist die Herausforderung. Dabei gilt es zu bedenken: Künstliche Intelligenz kann nur Mehrwert schaffen, wenn sie auf einem soliden Fundament von Technologie, Daten und Prozessen sowie einer starken Organisation mit innovativen Personen, interdisziplinären Fähigkeiten und einer verantwortungsbewussten Kultur steht. Es geht nicht um Algorithmen, sondern um das Verständnis der Customer Journey und der User Experience. Und dies ist wiederum eine «alte» Kerndisziplin im Marketing.

Ein Feedbackloop produziert inkrementell eine höhere Personalisierung. Wir alle lieben Personalisierung, und dank Machine Learning sind die Möglichkeiten unendlich. Aber irgendwann taucht die Frage auf: Wie viel ist zu viel?

Andrew McStay
Professor an der Bangor University

Appendix

Grundlage dieses Beitrags ist der Research Report von Alex Mari «The Rise of Machine Learning in Marketing: Goal, Process, and Benefit of AI-Driven Marketing», Universität Zürich. Die Studie wurde im Mai 2019 nach dem Open-Research-Prinzip publiziert. Quelle: unic.fyi/rise-of-ml
Studiendesign: 32 Expertinnen und Experten sowie Entscheidungsträger aus den Bereichen Marketing, IT und Data aus der Schweiz und dem Ausland wurden befragt. Die Interviews wurden transkribiert, Zeile für Zeile codiert, gruppiert und strukturiert, sodass ein Netz aus 20 Hauptthemenknoten und 76 Nebenthemenknoten entstand. Die Resultate werden im konzeptionellen Framework des AI-Driven Marketing Model dargestellt.

Quellen

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