Ivo Bättig am CNO-Panel 2021 von Sieber & Partners

KI - Hype oder Chance für eine Digitalagentur? Ein Blick hinter die Kulissen.

Lovey WymannJuli 2023

AI ist in aller Munde – auch bei Unic. Kannst du, Ivo, kurz zusammenfassen, was sich innerhalb der Agentur in diesen Bereichen tut? 

Gerne! Artificial Intelligence oder künstliche Intelligenz, wie wir lieber auf Deutsch sagen, ist eines von zwei eher neueren Themen, die uns aktuell in unserem Innovation Lab beschäftigen. Das andere wäre Spatial Computing, wie die Apple Vision Pro es ermöglicht.  

Innerhalb der Agentur sind wir einerseits daran, die Mitarbeitenden zu informieren und zu schulen. Wir stellen Zugänge zu den Tools zur Verfügung und haben bereits diverse interne Weiterbildungsanlässe durchgeführt, zu Themen wie Schreiben und Texten, Coden oder Designen mit KI. Wir haben einen ersten Hackathon geplant, zusammen mit einem Kunden, dessen Ziel ein umsetzbares Projekt sein wird. Und wir verstärken uns auch fachlich in diesem Bereich: Erste Consultants und Researchers aus dem Fachgebiet Machine Learning und künstliche Intelligenz haben wir bereits rekrutiert, und wir halten unsere Augen nach weiteren Talenten offen. Nicht zuletzt beschäftigen wir uns aber natürlich auch auf strategischer Ebene mit dem Thema. 

Kannst du zu den strategischen Überlegungen bereits etwas sagen? 

 Für Details ist es noch zu früh. Aktuell sind wir am Abschätzen: 

  • Was bedeutet KI in Bezug auf die Tätigkeiten oder Berufsfelder von Unic? 

  • Wie ist der Impact bei unseren Leistungen gegenüber unseren Kund:innen? 

  • Was für Konsequenzen haben KI für die Kund:innen unserer Kund:innen? 

Wir sind natürlich auch mit etlichen Kund:innen in engem Austausch, haben bereits Brainstormings und Workshops durchgeführt und sind daran, erste Ideen zu entwickeln und zu konkretisieren. Da kommt Spannendes auf uns zu. 

Wenn wir dich so hören, spüren wir: Du bist bei dem Thema mit Herzblut dabei. Woher kommt diese Begeisterung? 

Na ja: das begann recht früh. Ich habe ja, vor langer Zeit, Informatik-Ingenieur an der ETH-Lausanne studiert. Das Thema war damals schon aktuell. Ich erinnere mich an ein Buch von Raymond Kurzweil, «KI – Das Zeitalter der künstlichen Intelligenz» erschien 1993 – ein prachtvoller Sammelband mit philosophischen, mathematischen, mechanischen, elektronischen und logischen Grundlagen; mit anschaulichen Beispielen und Kapiteln über die Art und Weise, wie die Systeme lernen.   

Vor rund drei Jahren habe ich dann mit neuronalen Netzwerken zur Erkennung von handschriftlichen Ziffern rumgespielt. Es ging nicht darum, etwas Weltbewegendes zu schaffen, aber es half mir zu verstehen, wie ganz anders menschliche und künstliche Intelligenz funktioniert. Und dass es gilt, Intelligenz differenziert zu betrachten. Zu verstehen, wie Intelligenz funktioniert ist schwierig – da wirken nebst dem Hirn auch andere Systeme zusammen – und auch andere Wissenschaften wie Chemie und Biologie. Der Computer basiert bisher (noch) auf Mathematik. Das heisst, er muss die fehlende Komplexität quasi durch Rechenleistung ausgleichen. Eine Möglichkeit dazu sind neuronale Netzwerke. Ich zeige es dir an einem Schema und versuche es in einfachen Worten zu erläutern: 

Infografik mit Darstellung eines einfachen neuralen Netzwerks und einem Deep Learning Neural Network. Beide haben jeweils eine Eingangs- und Ausgangsschicht. Dazwischen sind sogenannte versteckte Schichten. Beim einfachen Netzwerk nur eine, bei Deep Learning sind vier eingezeichnet, können aber  mehr sein.
Quelle: https://towardsdatascience.com/mnist-vs-mnist-how-i-was-able-to-speed-up-my-deep-learning-11c0787e6935

Ein künstliches neuronales Netz besteht aus verschiedenen Knoten, die in Analogie zum menschlichen Hirn Neuronen genannt werden. Diese nehmen Informationen entweder von anderen Neuronen oder von aussen auf, modifizieren sie und geben ihr Ergebnis an die nächsten Neuronen weiter. Damit sie das können, sind die Neuronen durch sogenannte Kanten verbunden. Klar und sichtbar sind dabei die Eingabeschicht und die Ausgabeschicht. Dazwischen sind die versteckten oder eben «Hidden Layers». Das können auch ganz viele sein, je nachdem, wie viel Rechenleistung du zur Verfügung hast und was für ein Thema du bearbeiten willst. 

OK, das habe ich verstanden. Und wie kann jetzt dieses Netzwerk deine Ziffern erkennen? 

Erst einmal gar nicht! Damit ein Netzwerk etwas leisten kann, muss es trainiert werden. D.h. du fütterst das Netzwerk mit einer Unmenge von handgeschriebenen Zahlen. Anhand konkreter Ergebnisse werden die Neuronenverknüpfungen, wie eine Art Gewichte an den Kanten, durch einen ständigen Soll-/Ist-Vergleich angepasst.

Wie zum Beispiel die Ziffer 4 aussieht, das «wissen» du und ich einfach. Die KI muss sich das erarbeiten – und fängt zum Beispiel dann an, erste brauchbare Ergebnisse zu liefern, wenn sie gewisse Muster gelernt hat: «Wenn eine Ziffer einen Querstrich in der Mitte hat, könnte es eine vier sein». Und selbst da kann sie irren: Manche schreiben die 7 mit einem kurzen Querstrich auf halber Höhe. In Wirklichkeit ist das alles noch etwas komplizierter, doch das würde den Rahmen wohl etwas sprengen. Und bei Interesse gibt es genügend Fachbücher dazu.

Klingt jetzt für mich noch nicht so wahnsinnig intelligent. 

Das ist genau der Punkt: KI ist nicht wirklich intelligent. Oder führt zumindest zur Frage, was wir unter intelligent verstehen. Veranschaulichen wir das wieder an einem Beispiel: 

ChatGPT, oder besser gesagt, das entsprechend trainierte Large Language Model, kurz  LLM, angelt sich Wort für Wort vor. Wobei: Korrekterweise heisst das Token für Token, und das kann auch nur ein Teil eines Wortes sein. Aber lassen wir das mit den Einschüben zur Präzisierung, es ist so schon komplex genug und wir schreiben ja kein Fachbuch. Das System arbeitet sich also schrittweise vor und liefert dasjenige Wort, das mit höchster Wahrscheinlichkeit auf die vorangehen folgen könnte – je nach dem mit etwas statistisch eingebauten Abweichungen, damit es nicht zu monoton wird.  

Als Beispiel: Gehen wir davon aus, die KI hat bereits «Die Sonne geht» erarbeitet. Dann wird sie wahrscheinlich als nächstes "auf” vorschlagen, weil die Sonne das nun mal statistisch gesehen am häufigsten tut; beziehungsweise weil dies in den antrainierten Texten am häufigsten so steht.  

Das war jetzt natürlich ein sehr banales Beispiel. Aber es zeigt auf, wie komplex es sein muss, ein Tool zur Text- oder Bildgenerierung zu trainieren. Und welche Rechenleistung dahintersteckt. Und wenn da noch Quantencomputer dazu kommen – dann können wir noch gar nicht abschätzen, was da möglich wird.  

Wenn da schon so lange daran gearbeitet worden ist: Wieso hat dann OpenAI mit ChatGPT so einen Hype verursacht? 

Ich muss ehrlich sagen, ich habe das so auch nicht kommen sehen. Sam Altman, der CEO von OpenAI, ist kein Unbekannter, und dass er an innovativen AI-Projekten arbeitet, war seit 2015 klar. Aber was da im November 2022 mit ChatGPT abging, das hatte eigentlich niemand so kommen sehen. Mit seinem Vorpreschen hat OpenAI, mit starker Beteiligung von Microsoft, die anderen Giganten wie Google, Amazon, Apple und Meta wachgerüttelt. Plötzlich war auch klar, wieso Microsoft in GitHub investiert hat – es ging rein um Code-Daten. 

Wir erfahren wöchentlich von neuen Anbietern; die E-Mail-Ordner, Youtube-Channels und Newskanäle quillen über von Kursen, Prompts (wie man generative KI anweist), Hot-News, Tipps & Tricks und mehr. Und ich bin ehrlich gespannt auf die Konferenzen-Flut im Herbst zu diesen Themen. Mit diesen rasanten Entwicklungen mitzuhalten ist nicht einfach, aber wichtig: Der Einfluss der neusten Entwicklungen im KI-Umfeld wird massiv sein. Entsprechend überschlagen sich aktuell auch die Meldungen zu riesigen KI-Investitionen von Dienstleistern sowie zu Industrie-Analysen in Bezug auf die Veränderung der Arbeitswelt. 

Und wie hältst du dich auf dem Laufenden? 

Erst einmal durch viel lesen und schauen! Und ich nutze natürlich generative KI, um mir eigene Zusammenfassungen von Artikeln und Papers zu generieren. Zudem tausche mich mit diversen internen und externen Expert:innen aus und probiere natürlich immer wieder selber etwas aus. 

Oh. Hast du mir dazu ein Beispiel?  

Klar. Als der ganze Hype mit ChatGPT gestartet hat, hatte ich die Idee einer ChatGPT-Dokumentenabfrage. Das Large Language Model GPT von OpenAI, das ChatGPT nutzt, wurde, was viele nicht wissen oder nicht beachten, ja mit Daten bis November 2021 trainiert. Später erhielt es noch ein leichtes Update, aber wenn du mit GPT3.5. arbeitest, ohne Zugang zum Internet, sind die Informationen, auf die du dich stützt, teilweise veraltet. 

Kommt dazu: Das trainierte Modell hat keine Informationen zu deinen eigenen Daten oder Dokumenten. Ich wollte deshalb ein Mini-Tool entwickeln, mit dem ich aktuelle Informationen, über die ich verfüge, hochladen und durchsuchbar machen kann. Und zwar mit dem gleichen Komfort, wie ChatGPT ihn bietet, also durch einfache Chat-Abfragen.

Ich habe also ein kleines MVP, wie wir das nennen, entwickelt: Ein Minimum Viable Product namens DocuQuery, auf das ich zum Beispiel ein PDF hochladen und so aufbereiten kann, dass es Fragen zum Dokument sekundenschnell, in verständlicher Sprache, beantworten kann. Und nein, ich war nicht der einzige mit dieser Idee: Inzwischen gibt es da eine breite Auswahl an professionellen Tools.  

Gehen wir zurück zur Agentur: Was heisst das alles für Unic? 

Unsere Kund:innen sehen im Bereich KI völlig neue Möglichkeiten: Texte, Bilder und sogar Videos können inzwischen mit künstlicher Intelligenz generiert werden. Nur: Die Tools haben auch ihre Gefahren und Tücken: Aufgrund der Inhalte, mit denen sie gefüttert wurde, enthalten sie, Biases, also Vorurteile und Stereotypen. Da sie nur mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten, können sie in Teilbereichen halluzinieren, also Fakten und teilweise sogar Quellen schlicht «erfinden». Das kann je nach Thema so weit gehen, dass sie völlig unbrauchbare Inhalte generieren, was es natürlich zu erkennen gilt. Denn auf den ersten Blick klingt das meist überzeugend. 

Als Agentur müssen wir deshalb jetzt dafür sorgen, dass unsere Mitarbeitenden Chancen und Risiken der unterschiedlichen Anwendungen kennenlernen; das Wissen intern weitergeben und in der Zusammenarbeit mit Kund:innen da einsetzen, wo es Sinn macht.  

Wir selber müssen lernen, KI intelligent einzusetzen, damit wir den Kund:innen damit einen echten Mehrwert schaffen können. Das tun wir heute bereits im Bereich Recherche, Bild- und Text-Erstellung, bei Chatbots oder bei der Entwicklung von ersten KI-Kundenapplikationen. Und da wird noch mehr kommen.  

Ich stelle erfreut fest, dass du nicht der Ansicht bist, dass unsere Agentur in naher Zeit brotlos wird. Woran machst du das fest? 

Da gibt es verschiedene Aspekte. Zuerst ein inhaltlicher: All diese KI-Tools generieren Content – sie kreieren ihn nicht. Wenn wir also in Zukunft nicht in ewig wiedergekäuten Inhalten versinken wollen, müssen wir lernen, trockene und rein informative Texte effizient zu verfassen oder zu aktualisieren. Das verschafft uns und mehr Zeit und Ressourcen für den kreativen Prozess – oder auch für die Recherche und Qualitätssicherung. Das gilt natürlich nicht nur für Text, sondern analog auch für visuellen Content oder für gewisse Programmierungen. Und da sind unser Fachwissen und unser Umgang mit Kundenbedürfnissen auch in Zukunft gefragt. 

Organisatorisch haben wir gegenüber traditionell geführten Unternehmen einen grossen Vorteil: Als purpose-orientierte Selbstorganisation auf Basis von Holacracy können wir zeitgleich, dezentral und schneller Know-How erwerben und fördern. Und können so KI bei kleineren und grösseren Projekten testen, validieren, optimieren und skalieren. In der aktuellen Situation sind kleine Schritte, die gegangen werden, wichtiger als grosse, die in der Planung stecken bleiben. Und wir haben ja, wie bereits gesagt, das grosse Glück, Kund:innen zu haben, die das genauso sehen und mit uns vorangehen. Darüber werden wir sicher zu gegebener Zeit informieren können. 

Darauf freue ich mich jetzt schon. Bevor es so weit sein wird, würde ich mich aber mit dir gerne noch über ein paar weitere Themen rund um KI unterhalten.

Gerne. Stichworte wie Urheberrecht, Regulierung, Ethik oder Nachhaltigkeit brennen mir und vielleicht auch unseren Leser:innen unter den Nägeln. Wir bleiben dran!

Auf jeden Fall! Aber für heute bedanke ich mich für das Gespräch und lasse dich ziehen. Die Arbeit ruft. Und so ganz ohne dein und mein Zutun geht es dann doch nicht … 

Nutzen Sie die Chancen der neuen Apple Vision Pro

Lovey WymannJuni 2023

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An der Entwicklerkonferenz vom 5. Juni 2023 hat Apple die lange ersehnte AR/VR-Brille vorgestellt. Nein, mehr als das: Die Apple Vision Pro – eine bahnbrechende Plattform für räumliche Computernutzung. Die Vision Pro steht Entwicklern ab sofort zur Verfügung und wird Anfang 2024 in den Handel kommen.

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Ivo Bättig, Partner & Innovation Enabler, Unic